Am 28. Oktober 2025 hat der Vorstand der Zuger Wirtschaftskammer eine Ja-Parole zum Vertragspaket Schweiz–EU beschlossen. Im folgenden Interview spricht ZWK-Präsidentin Katharina Gasser mit Lukas Fuchs, Projektleiter Politik der ZWK, über die Beweggründe hinter diesem Entscheid, die Haltung der Mitglieder und die Bedeutung des Vertragspakets für den Wirtschaftsstandort Zug.
Frau Gasser, was waren die Überlegungen hinter diesem Entscheid?
Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Weiter ist sie auch keineswegs aus einem Gefühl der Euphorie heraus entstanden – das wäre dem Thema nicht gerecht. Vielmehr war es ein Prozess der sorgfältigen Abwägung, getragen von Verantwortung und Realismus. Einige Vorstandsmitglieder haben den Begriff «Vernunftehe» verwendet, und das trifft es durchaus: Das Vertragspaket ist nicht perfekt, aber es bietet unter den aktuellen Umständen die stabilste und praktikabelste Grundlage für die Weiterentwicklung unserer Beziehungen zur EU. Als Vorstand sehen wir darin eine Chance, wirtschaftliche Stabilität zu sichern und den Standort Zug langfristig zu stärken.
Wie gehen Sie mit der Tatsache um, dass kein Konsens unter den Mitgliedern der Zuger Wirtschaftskammer besteht?
Unsere Mitgliederstruktur ist breit und vielfältig. Diese Heterogenität ist eine unserer grössten Stärken. Gleichzeitig bringt sie unterschiedliche Perspektiven und Bedürfnisse mit sich, insbesondere bei komplexen Themen wie den Bilateralen III. Dass wir uns nicht schon früher positioniert haben, war ein bewusster Entscheid. Er steht für unseren Anspruch, verantwortungsvoll und fundiert zu handeln. Wir wollten sicherstellen, dass alle relevanten Stimmen gehört und berücksichtigt werden, bevor wir eine allfällige Position beziehen.
Mit der Ja-Parole möchten wir nun eine Orientierung bieten, ohne den Anspruch zu erheben, wirklich alle Meinungen zu vereinen. Wir respektieren kritische Stimmen ausdrücklich und sehen unsere Position als Einladung zum weiteren Dialog.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Argumente für die Bilateralen III?
Besonders hervorzuheben ist der gesicherte Zugang zum EU-Binnenmarkt, der für viele unserer Mitglieder von zentraler Bedeutung ist, um Waren und Dienstleistungen in den EU-Ländern anzubieten. Die EU bleibt langfristig unser wichtigster Handelspartner, und stabile Handelsbeziehungen zur Union sind deshalb dafür entscheidend, dass Investitionen und Innovationen in unserem Kanton passieren. Damit sind sie eine Grundlage für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Die Bilateralen III bieten aus unserer Sicht eine ausgewogene und realistische Grundlage für die Weiterentwicklung der Beziehungen zur EU in den verschiedenen Dimensionen und damit für die Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes und unseres Standorts Zug.
Viele sorgen sich um die politische Unabhängigkeit der Schweiz. Wie begegnen Sie diesen Bedenken?
Diese Bedenken sind legitim und verdienen eine ernsthafte Auseinandersetzung. Das Vertragspaket respektiert die demokratischen Prozesse der Schweiz: Jede Rechtsübernahme erfolgt durch nationale Verfahren mit parlamentarischer und gegebenenfalls direktdemokratischer Beteiligung. Die Schweiz bleibt souverän in ihren Entscheidungen. Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und internationale Verlässlichkeit eng miteinander verbunden sind. Die Bilateralen III sind ein Versuch, diese Balance zu wahren.
Wie geht es nun weiter? Wird sich die Wirtschaftskammer weiterhin aktiv einbringen?
Selbstverständlich. Der politische Prozess ist im Gange, und wir werden ihn aufmerksam begleiten. Unsere Ja-Parole ist ein klares Signal, aber kein abschliessender Standpunkt. Wir bleiben offen für neue Erkenntnisse und Entwicklungen und vor allem für den Austausch mit unseren Mitgliedern. Unser Ziel ist es, eine fundierte, verantwortungsvolle Position zu vertreten, die dem Gesamtinteresse der Zuger Wirtschaft dient.
Was möchten Sie den kritischen Stimmen innerhalb der Mitglieder der Zuger Wirtschaftskammer abschliessend mitgeben?
Wir nehmen Ihre Bedenken ernst. Unser Entscheid ist Ausdruck einer sorgfältigen Abwägung der Interessen unserer verschiedenen Mitglieder. Wir sind überzeugt, dass die Bilateralen III eine Chance darstellen, unsere wirtschaftliche Stabilität zu sichern, ohne unsere politischen Grundwerte zu gefährden. Aber wir wissen auch: Eine starke Position entsteht nur im Dialog. Deshalb laden wir alle Mitglieder ein, weiterhin konstruktiv im Gespräch zu bleiben. Schliesslich haben wir alle ein gemeinsames Ziel: den Standort Zug zu stärken.
Katharina Gasser, Präsidentin der Zuger Wirtschaftskammer



