«Wir sollten das virtuelle Bonding besser lernen»

von | 27. Mai 2024 | Bildung & Beschäftigung, Standort Zug, Zuger Wirtschaftskammer

Der Anlass der ZWK zum Thema «Führungskräfte im Clinch zwischen Mitarbeiterbedürfnissen und Unternehmenszielen» war ein voller Erfolg. Am meisten zu reden gab die fiktive Figur namens Egon von der Traditions GmbH. Egon steht für die alte Arbeitswelt, der nicht wenige Führungskräfte hinterhertrauern. Eine Bilanz.

Alex, Du hast am Workshop im April die Figur Egon gespielt, die nichts von neuen Arbeitsformen und Homeoffice hält. Wie viele solcher Egons gibt es in Schweizer Firmen noch?

Sicher weniger als vor Corona, aber immer noch relativ viele. Das hat sich ja auch am Workshop gezeigt. Die Dunkelziffer derjenigen, die noch traditionell denken, dies aber aus politischen Gründen nicht sagen, dürfte hoch sein. Ich schätze den Anteil der Bewahrer auf etwa 25 Prozent.

Aus politischer Korrektheit sagen also Führungskräfte oft nicht, dass ihnen die neuen Ansprüche der Arbeitnehmenden nicht passen. Ist das wünschenswert?

Nein natürlich nicht. Darum war es uns ja auch ein Anliegen, diesen Menschen mit Egon eine Stimme zu geben. Es gibt nicht gut und schlecht. Letztlich müssen wir zusammen einen Weg finden.

Aber zeigen sich jetzt, zwei Jahre nach der Pandemie, nicht auch die Schwächen der dezentralen Arbeitsstrukturen?

Ja, wir spüren jetzt auch die kritischen Seiten des Homeoffice. Ich zum Beispiel habe in meinem globalen Team bei Siemens in den letzten drei Jahren zwei wertvolle Mitarbeitende verloren, weil sie aufgrund ihres Anstellungsortes grösstenteils nur virtuell ins Team eingebunden waren. Wir bauen deshalb heute noch stärker auf Anstellungen von Mitarbeitenden in Hubs. Menschen müssen sich irgendwo zugehörig fühlen, auch wenn sie häufig zuhause arbeiten. Auch sollten wir das virtuelle Bonding noch besser lernen.

Haben Corona und der ausgetrocknete Arbeitsmarkt nicht auch auf Seiten der Mitarbeitenden dazu geführt, dass extrem hohe Ansprüche an die Arbeitgeber gestellt werden? Ich kenne Firmen, da hat nur schon die Umstellung von drei auf zwei bewilligte Homeoffice-Tage zu einem Gezeter geführt.

Es fällt schon auf, dass vor allem jüngere Mitarbeitende in der Schweiz teils dazu tendieren, primär daran zu denken, was für sie gut ist. Ich wünsche mir wieder vermehrt eine etwas demütigere Einstellung zur Arbeit und dass das Team und die Unternehmensinteressen wieder etwas in den Vordergrund rücken. Nur so bestehen wir den globalen Wettbewerb und sichern unseren Wohlstand in der Schweiz.

Was empfiehlst Du Führungskräften, die es mit Angestellten zu tun haben, die sehr hohe Forderungen stellen oder sich gar überschätzen?

Ich würde sie bewusst fordern und mit Projekten vertrauen, die sie für eine gewisse Zeit ans Limit bringen. In einer solchen Phase wachsen Menschen und bereiten sich dadurch auf grössere Aufgaben vor.  Ich hätte die Position, die ich heute habe, mit 30 Jahren auf keinen Fall gewollt. Ich wäre masslos überfordert gewesen. Aber auch ältere Führungskräfte sollten respektieren, dass es begabte junge Talente gibt, die dank ihrer Lernfähigkeit rascher in der Karriere vorankommen als andere.

Am 1. Juli wird der Workshop in Form eines Webinars fortgesetzt. Was erwartet die Teilnehmenden?

Wir werden stark auf die Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitenden fokussieren und ihnen konkrete Tools aus der Praxis zeigen rund um Flex Work und die neuen Arbeitsformen, zum Beispiel wie man die Produktivität von Mitarbeitenden im Homeoffice misst.

Alexander Senn ist seit 2024 Leiter des Ausschusses Bildung und Personal der Zuger Wirtschaftskammer. Er ist hauptberuflich Head of People & Organization bei Siemens Smart Infrastructure.
Der nächste ZWK-Workshop in Form eines Webinars findet am Montag, 1. Juli 2024 um 16.30 Uhr statt – online. Weitere Infos folgen demnächst.

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