Der Name Richard Theiler ist aufgrund des gleichnamigen Hauses bei vielen Zugern omnipräsent. Und trotzdem weiss die Bevölkerung wenig über den Erfinder der Stromzähler, der damit die Basis für den späteren Weltkonzern Landis & Gyr legte. Dabei gibt es gerade jetzt einen aktuellen Grund, sich an Theiler zu erinnern.
Beim Namen Theiler denken wohl die meisten Zuger spontan an das gleichnamige Haus an der Hofstrasse im Quartier St. Michael. Der prägnante Backsteinbau war aufgrund des langen Leerstandes jahrzehntelang in aller Munde und ein veritables Politikum. Im Frühling 2008 verschafften sich rund 40 Personen über ein Gerüst gar Zutritt zum Haus und feierten darin mit rund 300 weiteren Besetzern eine illegale Party. Die Gruppierung «Freundeskreis Trümmertango» verschaffte mit der Aktion ihrer Forderung nach mehr Kulturraum in Zug Gehör.
Wer Richard Theiler war, dürfte die wenigsten Eindringlinge interessiert haben. Dabei ist der 1841 in Einsiedeln geborene Erfinder und Tüftler eine spannende Figur der Zuger Wirtschaftsgeschichte. Das Interesse und Talent für Elektronik erbte er von seinem Vater Meinrad, der 1856 mit seiner Frau und den sechs Kindern nach England ausgewandert war und dort eine Firma zur Herstellung von Telefonapparaten gegründet hatte. Auch Sohn Richard war in die Geschäfte im fernen Königreich eingebunden, kehrte aber im Alter von 51 Jahren in die Schweiz zurück und beschäftigte sich fortan intensiv mit Apparaten zur Messung von elektronischer Energie. Theiler arbeitete als Vertreter der ersten amerikanischen Elektrizitätszähler, war vom Produkt jedoch nicht überzeugt. Er erfand ein besseres. Eines, bei dem erstmals die Bremsung mithilfe eines Magneten zum Einsatz kam – Stichwort Induktion. Dies machte die Strommessung zuverlässiger und präziser.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Richard Theiler liess seinen Zähler am 13. Juni 1896 patentieren, holte seinen ehemaligen Schulkameraden Adelrich Gyr-Wickart ins Boot und gründete zwecks Produktion nur wenige Tage später, am 1. Juli 1896, in Zug das «Elektrotechnische Institut Theiler & Co.». Gleichzeitig trieb man die Suche nach einem geeigneten Landstück voran und wurde in der «Knopflimatt», heute Hofstrasse, fündig. Hier erwarben die beiden Herren 3’000 Quadratmeter Land, der Quadratmeter kostete 3.30 Franken. Im Eiltempo, nämlich im November 1996, war schliesslich auch der (damals noch) zweistöckige, 30 Meter lange Sichtbacksteinbau erstellt. Nicht zufällig wurde das Institut direkt vis-à-vis des Knabeninstituts Minerva gebaut. Von hier rekrutierte man junge Arbeitskräfte für die betriebseigene Lehrwerkstätte.
Doch die Produktion der Stromzähler harzte anfangs, weshalb die junge Firma noch andere Produkte herstellen musste; so etwa Telefoninduktoren, Scheinwerfer und Grammophonwalzen. Erst ab 1899 stieg der Absatz der Stromzähler, befeuert durch das Engagement der Elektrizitätswerke. Zudem hatte Theiler jetzt einen Zähler in Watt, statt in Ampèrestunden, was auf dem Markt deutlich gefragter war. Theiler und Gyr nahmen die nunmehr positive Entwicklung mit Erleichterung zur Kenntnis. Gleichzeitig wurde ihnen klar, dass die erhöhte Nachfrage nur mit grösseren Fabrikationsgebäuden und einer erweiterten Verkaufsorganisation gestillt werden konnte. Aufgrund ihres Alters und gewisser Spannungen untereinander fand das Duo aber keinen Weg, die Firma entsprechend zu erweitern. Hinzu kam, dass Richards und Adelrichs Söhne kein Interesse an der Firma zeigten, weshalb sie schon sieben Jahre nach der Firmengründung nach finanzstarken und technisch versierten Nachfolgern Ausschau hielten. Im Jahre 1903 trat Heinrich Landis in die Firma ein. Zwei Jahre später stiess Karl Heinrich Gyr dazu, worauf das «Elektrotechnische Institut Theiler & Co» zur «Landis & Gyr» mutierte und ein neues, nicht minder spannendes Kapitel Zuger Wirtschaftsgeschichte eröffnet wurde.
Das frisch sanierte Theilerhaus erwacht im Januar 2026 nach fast 40 Jahren Leerstand endlich aus seinem Dornröschenschlaf. Der Kanton nutzt es künftig für das Verwaltungsgericht, im Erdgeschoss wird ein Bistro realisiert. Wer das Haus also künftig betritt – selbstverständlich auf legale Weise –, darf sich gerne an jenen Mann erinnern, der dem Gebäude seinen Namen gab.
Mehr über Zugs zweite Industrialisierung zwischen 1880 und 1913 von Dr. Michael van Orsouw auf der Plattform Zug in der Welt, dem Forschungs- und Vermittlungsprojekt des Industriepfads Lorze (IPL).
Mitarbeiter und Lehrlinge von Theilers Firma mit Produkten (Zähler, Telefone, Scheinwerfer, Walzenphonographen) um 1898. Ganz links im Bild Richard Theiler, zweiter von links Geschäftspartner Adelrich Gyr-Wickart. Foto: Archiv für Zeitgeschichte der ETH (Firmenarchiv Landis & Gyr)



