Lea Paessens hat zwei kleine Kinder und ist seit kurzem CEO der Steinhauser Firma Oswald Nahrungsmittel. Sie ist erstaunt, dass die Wirtschaft des Kantons Zug in Sachen Diversität hinterherhinkt.
Frau Paessens, Sie sind seit ein paar Monaten CEO von Oswald Nahrungsmittel. Was hat Sie an dem Job gereizt?
Oswald ist eine traditionelle, vielleicht etwas konservative Marke mit viel Entwicklungspotenzial und einem sehr gut aufstellten Online-Business. Mir gefällt auch, dass Oswald mehrheitlich auf den Direktvertrieb ausgerichtet ist und wir dadurch von einer grossen Nähe zu unseren Konsument*innen profitieren können.
Oswald ist Teil des weltweiten Unilever-Konzerns. Können Sie da als Chefin einer relativ kleinen Einheit überhaupt etwas bewegen?
Sonst hätte ich den Job gar nicht angenommen. Unilever gibt uns Richtlinien bei den grossen strategisch relevanten Themen, beispielsweise Nachhaltigkeit. Ansonsten haben wir viel Gestaltungsspielraum.
Schweizweit liegt der CEO-Anteil von Frauen bei 9 Prozent. Im Kanton Zug ist die Unterrepräsentanz von Frauen in Topjobs evident. Sind Sie überrascht?
Ehrlich gesagt ja. Ich staune, dass die doch sehr breit aufgestellte Wirtschaft des Kantons in diesem wichtigen Punkt der Diversität hinterherhinkt.
Ihre Erklärung dafür?
Ich arbeite als CEO Teilzeit in einem Pensum von 90 Prozent und habe zwei kleine Kinder im Alter von 2 und 4 Jahren. Dies wird noch immer als völlig aussergewöhnlich angeschaut. Ich werde ständig ungläubig gefragt, wie das denn gehe – und zwar auch von Frauen. Viele von Ihnen glauben einfach nicht daran, dass man mit Kindern CEO sein kann, schon gar nicht in Teilzeit.
Und Sie haben nicht gezweifelt, als Sie den CEO-Job angeboten bekamen?
Doch, ich hatte Zweifel. Aber glücklicherweise glaubte mein Chef mehr als ich daran, dass ich das packe. Dieser Rückhalt war extrem wichtig bei der Entscheidungsfindung. Viele Führungskräfte sind sich nicht bewusst, welch entscheidende Rolle sie im Rekrutierungsprozessen von Frauen spielen.
Stehen sich die Frauen nicht auch selber im Wege, weil sie die Kontrolle zuhause nicht abgeben können oder wollen?
Sicher – der gesellschaftliche Druck, eine sogenannt perfekte Mutter zu sein, ist gross. Wer sich davon lösen kann, kommt besser klar. Selbstverständlich muss ich in diesem Spagat zwischen Job und Familie auch Konzessionen machen. Ich fange nicht vor 9 Uhr mit der Arbeit an und setze mich um 16 Uhr bereits wieder in den Zug, weil mir die Zeit zwischen 17 Uhr und 20 Uhr mit meinen Kindern extrem wichtig ist. Dafür arbeite ich oft bis spät abends. An diesen Rhythmus musste sich auch das Oswald-Team erst gewöhnen. Aber es klappt.
Was muss passieren, damit der Frauenanteil auf CEO-Level endlich steigt?
Zuerst einmal müssen Vorurteile aus den Köpfen verschwinden. Das betrifft zum Beispiel auch den Glauben, dass Jobsharing auf dieser Stufe nicht möglich ist. Ferner braucht es ein Umdenken im Recruiting, das noch immer stark auf Männer ausgerichtet ist – auch in der Beurteilung von Lebensläufen. Der Wert von berufstätigen Müttern wird total unterschätzt: Man gewinnt als Firma mit ihnen eine geballte Ladung an Effizienz.
Zur Person: Lea Paessens, 37, ist seit Juni 2022 CEO von Oswald Nahrungsmittel in Steinhausen mit 250 Mitarbeitenden. Das Unternehmen ist bekannt für Premium Bouillon und Gewürze. Oswald gehört zum Unilever-Konzern in Thayingen, wo Paessens über 11 Jahre in verschiedenen Positionen tätig war – unter anderem als Marketingchefin von Knorr und Chirat. Die neue CEO von Oswald studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen.