Nach einem Jahrzehnt intensiver Frauenförderung mehren sich die Zeichen, dass das Thema auf den Firmenagenden nach unten rutscht. Warum?
Expertin Dr. Fabienne E. Meier, Partnerin bei Knight Gianella Executive Search, hat Antworten.
«Diversity rückt auf den Agenden der Chefs nach unten», titelte die NZZ vor kurzem. Das Qualitätsblatt fügte zu der Story mehrere Beispiele an von US-Konzernen, die Diversity-Teams entweder entlassen haben (Microsoft) oder zumindest Einsparungen machen in dem Bereich. Auch die UBS wurde erwähnt, deren Fokus aktuelle stark auf Kostensenkungen liegt. Ins Bild dieser Entwicklung passt auch, dass der Anteil von Frauen in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Arbeitgeber im letzten Jahr rückläufig war. Stieg der Anteil Unternehmen mit mindestens 30% Frauen in der Geschäftsleitung gemäss Schillingreport über die vergangenen 5 Jahre kontinuierlich von 4% in 2019 auf 21% in 2023, so sinkt er aktuell wieder auf 20%. Gleichzeitig stagniert der Anteil Unternehmen ohne Frauen in der Geschäftsleitung. Was geht hier gerade ab? Wir haben unser Mitglied Fabienne Meier, Partnerin und Diversity-Expertin bei Knight Gianella Executive Search in Zürich gefragt.
Frau Meier, Gender Diversity war in den letzten 10 Jahren ein Topthema. Nun mehren sich die Anzeichen eines Stimmungswandels. Haben wir einen Backlash in der Frauenfrage?
Ja, wir erleben tatsächlich einen Backlash. Schon unsere jährliche Verwaltungsratsumfrage hat gezeigt, dass Gender Diversity aus den Topthemen der Agenden verschwunden ist. 92 Prozent nannten dort Profitabilität an erster Stelle bei den unternehmerischen Prioritäten. Die wirtschaftliche Situation, der Druck auf die Lieferketten verdrängt andere Themen. Auch ESG – also Nachhaltigkeit – hat an Dringlichkeit verloren.
Warum ist der Anteil Frauen in den Geschäftsleitungen der grössten Firmen letztes Jahr zurückgegangen?
Frauen in Konzernleitungsstrukturen sind oft nicht bereit, den Preis für ihre Karriere zu bezahlen, vor allem wenn der Druck – wie aktuell – massiv zunimmt und berufliche Entschlossenheit verlangt wird. Sie steigen schneller aus, haben noch andere Optionen im Leben. Diese Entwicklung ist natürlich nicht gut.
Die NZZ schrieb auch, dass die amerikanischen Konzerne bei der Frauenförderung zurückkrebsten, um sich nicht dem Vorwurf der Männerdiskriminierung auszusetzen. Gilt das auch für die Schweiz?
Momentan haben wir dieses Problem der umgekehrten Diskriminierung nicht in der Schweiz weil die Mehrheit der Führungspositionen nach wie vor männlich besetzt sind. Im Übrigen beklagen sich die wirklich fähigen Männer auch nie über Diskriminierung. Es gibt aber immer jemand, der sich benachteiligt fühlt.
Sie sagen, Frauen scheiden rascher aus Geschäftsleitungen aus, wenn es «hart auf hart kommt». Was tut Knight Gianella, um das zu verhindern?
Unser Ziel ist es, diejenigen Frauen, die in solchen Toppositionen sind, mit Coachings von innen zu stärken. Dazu gehört u.a. unser Seminar «Karriere für Frauen». Dort machen wir Frauen fit für Themen wie Kommunikation und zeigen ihnen, wie sie sich in Gremien positionieren und ihre Forderungen intern adäquat durchsetzen können.
Das Frauenthema hat also an Dringlichkeit verloren. Heisst das, der Anteil Frauen in den Geschäftsleitungen wird weiter sinken?
Nein das erwarte ich nicht. Die grossen Unternehmen haben vom Bund klare gesetzliche Quotenvorgaben betreffend Frauenanteil in den obersten Gremien. Bis 2031 muss ein Fünftel der Geschäftsleitungen mit Frauen besetzt sein. Die Firmen können sich also keine Zauderei leisten.
Dass Frauen rascher wieder aus hohen Führungsjobs ausscheiden hat doch auch vielerorts mit einer Kultur zu tun, die noch immer noch sehr männlich geprägt ist. Warum wird dieser Kulturwandel nicht aktiver angegangen?
Oft wird aus Bequemlichkeit weitergemacht wie bisher, denn eine Kulturveränderung ist harte Arbeit und dauert Jahre. Aber ich kenne auch viele Männer wie auch Frauen, die wollen, dass sich etwas verändert und dies auch vorantreiben.