«Wir Politiker haben die Bevölkerung im Nacken»
Am Tag der Zuger Wirtschaft vom 4. September drehte sich dieses Jahr alles ums Gesundheitswesen. Eine hochkarätige Runde um Roche-Verwaltungsratspräsident Severin Schwan diskutierte darüber, wie die Kosten endlich gesenkt werden können.
Die Messlatte für die Debatte war hoch: «Welches Gesundheitswesen können und wollen wir uns leisten», lautete die Grundfrage der Podiumsdiskussion am traditionellen Tag der Zuger Wirtschaft, der heuer am 4. September stattfand. Eine Antwort auf die komplexe Frage zu finden, war ambitioniert. Dennoch wagte sich eine prominent besetzte Runde an eine Annäherung: Mit Roche-Verwaltungsratspräsident Severin Schwan, Yvonne Gilli, Präsidentin der Ärztevereinigung FMH und Damian Müller, FDP-Ständerat Kanton Luzern trafen drei profilierte Fachpersonen aufeinander.
Schon beim ersten grossen Thema, das Moderatorin Esther Girsberger anschnitt – die Spitaldichte in der Schweiz – ging es lebhaft zu und her. «Ist es wirklich zu viel verlangt, dass man für eine schwere Herzoperation eine Stunde nach Basel fahren muss? So was hat man einmal im Leben», merkte Roche-Chef Severin Schwan an und spielte damit auf Konzentration der Spitzenmedizin auf bestimmte Standorte an, wobei er auch den kleinen Kanton Zug ansprach, der ein viel zu kleines Einzugsgebiet habe für bestimmte Leistungen. Der Präsident der Gesundheitskommission im Ständerat, Damian Müller, widersprach Schwan teilweise. «Wir Politiker haben die Bevölkerung im Nacken, und die will zumindest ihre Basismedizinleistungen in der Nähe». Da gebe es schon Widerstand, wenn man eine Geburtenabteilung mangels Rentabilität schliessen wolle, erzählte er. Yvonne Gilli sieht das Problem im Föderalismus und in einer banalen Tatsache: «Der Druck zur Strukturbereinigung war bis jetzt zu wenig gross. Wenn wir das mit den Spitalkonzentrationen jetzt aber nicht sinnvoll geregelt kriegen, wird es eine disruptive Bereinigung geben».
Einen grossen Hebel sah die Runde in der Digitalisierung. «Warum sind wir da noch im Steinzeitalter?» fragte Esther Girsberger energisch ins Panel. Zuvor hatte Standup-Comedian Michelle Kalt in ihrer kurzen Darbietung Witze darüber gemacht, wie sie noch heute Formulare von Hand ausfüllen müsse in der Praxis. Tatsächlich hinkt die Schweizer Gesundheitsbranche massiv hinterher in Sachen Digitales. Zwar gibt es ein elektronisches Patientendossier, doch faktisch sei dieses ein «Rohrkrepierer» (Severin Schwan). Denn das Mitmachen bei diesem wichtigen Projekt war freiwillig. Bei einem neuen Anlauf müsse es zur Pflicht werden mit einer Opting-out Klausel, meinte Severin Schwan. Gilli wiederum beanstandete, dass ein Elektronisches Dossier nur nütze, wenn es sie als Ärztin mit mehr als einer simplen «PDF-Bibliothek» versehen werde. «Wir brauchen nutzbare, vergleichbare Daten und Investoren, die bereit sind, in moderne Technologie zu investieren». Für Ständerat Damian Müller ist klar: «Es braucht mehr Leadership um das Thema voranzutreiben. Die sehe ich beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) nicht».
Fazit: Am Ende der Debatte lief es immer wieder auf dasselbe hinaus: Die verschiedenen Stakeholder im Gesundheitswesen müssen stärker an einem Strang ziehen und sich mehr miteinander austauschen. Leider aber beobachte er eine zunehmende Polarisierung und Ideologisierung in der Debatte statt Kooperation, stellte Roche-Chef Schwan fest.
Foto: Markus Senn, Passion for Pictures
Video: Mike Wiss, Lumiamedia
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