Die Ehe mit dem «Milchsüdi»-Direktor George Ham Page katapultierte Adelheid Page auf einen Schlag in die internationale High Society. Doch die Zugerin war mehr als die Gattin des Chefs der Anglo-Swiss Condensed Milk Company (später Nestlé). Ihr Wirken hinterliess Spuren, die bis heute sichtbar sind.
Was kümmert uns eine Frau, die 1853 zur Welt kam und auf den Namen Heidi Schwerzmann getauft wurde? Nichts. Es sei denn, sie starb vor 100 Jahren als Adelheid Page und ging als Stifterin der Klinik Adelheid in Unterägeri in die Geschichte ein. Die Mäzenin geniesst auch in der Innerschweiz grosses Ansehen; und das nicht nur, weil sie die Gattin des amerikanischen Industriellen George Page war, sondern weil sie selber einen bemerkenswerten Gestaltungswillen an den Tag legte und ihren Einfluss im «Business» geltend machte. Das Spannende an Adelheid Page ist die Tatsache, dass sie quasi drei Leben hatte.
Das erste Leben von Heidi beginnt am 20. August 1853. An diesem Tag wird sie als fünfte Tochter von Agatha und Karl Schwerzmann an der Neugasse 12 in Zug geboren. Im Kloster Maria Opferung besucht sie die Mädchenschule, dann wechselt sie an die höhere Töchterschule nach Vevey. Heidi entspricht nicht dem Klischee der unauffälligen und braven Bürgerstochter. Statt für Handarbeit und Kochrezepte interessiert sie sich für Philosophie, Fremdsprachen, Kunstgeschichte, Literatur und Malerei.
Das zweite Leben von Heidi Schwermann beginnt im Februar 1875. Da lernt sie an einem Fasnachtsball den amerikanischen Industriellen George Page kennen. Page, 17 Jahre älter, ist fasziniert von der hübschen 22-Jährigen. Sie tritt selbstbewusst auf, spricht Englisch, hat Witz. Page hatte 1866 in Cham nach amerikanischem Vorbild die erste Kondensmilchfabrik Europas eröffnet, die Anglo-Swiss Condensed Milk Company, im Volksmund «Milchsüdi» genannt. Schnell hält Page um Heidis Hand an. Die Ehe katapultiert die junge Frau auf einen Schlag in die Welt der internationalen Verbindungen und Kontakte. Ihr Mann ist voller Respekt und Bewunderung für sie. Ihr Wort hat Gewicht – auch in der Firma. «Die Generalin» wird sie dort genannt, wie der Historiker Michael van Orsouw im Buch «Adelheid – Frau ohne Grenzen» schreibt.
Dank Adelheid erhält die Fabrik im Dorf ein repräsentatives Verwaltungsgebäude und eine eigene Kleinkinderschule. Dank ihr wird für die Belegschaft ein für das Personal kostenloser Kranken- und Unfallfonds eingerichtet. Dank Adelheid werden in Cham zwei repräsentative Firmenvillen im amerikanischen Kolonialstil gebaut. Adelheid agiert weitsichtig und engagiert sich wohltätig. Als 1899 ihr Mann stirbt, übernimmt sie – die Entscheidungsfreudige – die Leitung des Unternehmens und bereitet es 1905 für die Fusion mit der Firma Nestlé vor.
Das dritte Leben von Adelheid Page beginnt schliesslich im Sommer 1909, als sie nach einer Blinddarmentzündung knapp dem Tod entgeht. Die Ärzte haben die Hoffnung schon aufgegeben, da bringt die 56-Jährige in einem Testament ihren letzten Willen zu Papier: die Gründung einer Stiftung zwecks Realisierung einer Heilstätte für Tuberkulosekranke auf 850 Meter über Meer in Unterägeri. Dank einer Notoperation überlebt Adelheid. Als sie wieder zu Kräften kommt, treibt sie das Projekt voran und übergibt den fertigen Bau 1912 als Geschenk in die Hände der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zug (GGZ).
Aus dem Sanatorium für Tuberkulosekranke entwickelte sich ein renommiertes Reha-Zentrum. Es trägt bis heute den Namen Klinik Adelheid und als stolze Trägerin fungiert noch immer die GGZ. Sie sorgt dafür, dass das prägende Wirken dieser ungewöhnlichen Frau in Erinnerung bleibt. Selbiges tun die Adelheid-Page-Strasse in Cham (ZG), die Adelheid-Street in Dixon / Illinois, Heimatort von George Page, und der Adelheid-Page-Tunnel, den sie für ihren Feriensitz im Landgut Horbach in den Fels schlagen liess. Am 15. September 1925 verlor der Kanton Zug eine grosse Wohltäterin und charismatische Persönlichkeit. Damit fand ein an Engagement, Eigensinn, Mut und beeindruckenden Erfolgen reiches Leben seinen Abschluss.
Mehr über die Anglo-Swiss-Condensed Milk Company und die Industrialisierung der Landwirtschaft von Dr. Michael van Orsouw auf der Plattform Zug in der Welt, dem Forschungs- und Vermittlungsprojekt des Industriepfads Lorze (IPL)

Ohne Adelheid Page gäbt es die Klinik Adelheid in Unterägeri nicht. Ursprünglich ein Sanatorium für Lungenkranke ist die Klinik heute ein führendes Zentrum für Rehabilitation. Foto: GGZ
