«Die Mehrheit der Rentenbeziehenden hätte eine 13. AHV-Rente nicht nötig»

von | 31. Januar 2024 | Abstimmungen & Kampagnen, Finanzen & Steuern, Sozialpolitik, Zuger Wirtschaftskammer

Yvonne Seiler Zimmermann, Professorin mit Schwerpunkt Vorsorge an der Hochschule Luzern,  sieht die Initiative für eine 13. AHV-Rente kritisch, weil die Finanzierung völlig unklar ist. Eine existenzsichernde AHV, die aber nur denjenigen zugute kommt, die sie brauchen, wäre ein Reformansatz für sie.

Die Zustimmung für die 13. AHV-Rente ist im Vorfeld der Abstimmung vom 3. März erstaunlich hoch. Warum findet die Idee so grossen Anklang?

Ich sehe den Hauptgrund darin, dass eine grosse Solidarität der Bevölkerung gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern besteht. Niemand möchte, dass jemand im Alter arm ist. Allerdings wird zu stark ausgeblendet, dass damit auch Personen in den Genuss einer Rente kommen, die es gar nicht nötig haben. Zudem ist die Finanzierungsquelle ungeklärt.

Diese Frage wird von den Initianten ja aussen vor gelassen

Genau, die Finanzierungsfrage bleibt offen in der Initiative. Das führt dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger auch nicht einschätzen können, inwieweit sie die damit verbundenen Zusatzkosten mitfinanzieren müssen. Diese Information wäre gerade für Erwerbstätige im unteren und mittleren Mittelstand wichtig.

Die Linke bewirtschaftet stattdessen das Narrativ von den armen Rentnerinnen und Rentner, das gar nicht mehr der Realität entspricht

Gemäss Bundesamt für Statistik sind zehn bis zwanzig Prozent der Rentnerinnen und Rentner von Altersarmut betroffen. Somit ist klar, dass die klare Mehrheit der Rentenbeziehenden eine 13. AHV-Rente nicht nötig hätte. Diese Ausgaben können eingespart werden. Denn ob eine Finanzierung über mehr Lohnbeiträge oder über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolgt – die unteren und mittleren Einkommensschichten bezahlen mit.

Wie würde für Sie ein gerechtes Rentensystem aussehen?

Zunächst sollte man politisch einen Konsens darüber finden, was ein minimaler Lebensstandard im Alter bedeutet. Dieses sozialpolitische Minimum sollte in einem Umlageverfahren finanziert sein, wie bspw. die AHV. Angesichts des demografischen Wandels und den Schwierigkeiten bei der  Finanzierung der AHV sollten wir uns grundsätzlich überlegen, ob die AHV künftig nur noch denjenigen zugute kommt, die sie wirklich brauchen. Da die Beiträge weiterhin von allen finanziert würden, würde dies natürlich eine noch grössere Umverteilung bedeuten. Als Ausgleich sollte dafür in der zweiten Säule auf sozialpolitisch motivierte Umverteilung verzichtet werden.

War das nicht mal die Grundidee?

Ja genau. Durch Lohnbeiträge wird ein Alterskapital angespart, das zusammen mit der ersten Säule darauf abzielt, den gewohnten Lebensstandard zu halten, und nicht Sozialpolitik zu betreiben. In der Konsequenz heisst das, dass Besserverdienende auch ein höheres Alterskapital und damit höhere Renten haben.

Auch beim BVG ist eine Reform in der Pipeline, die dieses Jahr aufgrund eines Referendums zur Abstimmung kommt. Geht das in die richtige Richtung?

Da Reformen für die Zukunft sind, sollten wir uns die Frage stellen: Was sind die Megatrends? Es sind dies insbesondere der demografische Wandel, die Digitalisierung und die Individualisierung der Gesellschaft. Die beiden letzteren implizieren, dass Arbeit und Freizeit zunehmend ineinander übergehen und sich die Arbeitsmodelle verändern. Zukünftig werden wir eher projektbasiert und für mehrere Arbeitgebende arbeiten. Das heisst, dass in Zukunft die Mehrheit der Erwerbstätigen für mehrere Unternehmen arbeiten und daher mehrere kleinere Einkommen erzielen. Dem trägt die geplante Reform Rechnung, indem der Koordinationsabzug heruntergesetzt wird und somit auch tiefere Löhne versichert werden können.

Das kommt vor allem den Frauen zugute

Heute ja. Aber in Zukunft profitieren beide Geschlechter, und zwar aufgrund der vorher erwähnten neuen Arbeitsmodelle.

Am 3. März kommt mit der 13. AHV-Rente auch die Renteninitiative zur Abstimmung. Sie knüpft das Rentenalter an die Lebenserwartung. Befürworten Sie das?

Ja. Denn die genannten Megatrends werden uns ein gesünderes, längeres Leben ermöglichen. Damit wird es auch möglich, länger zu arbeiten.

Ist es klug, dass diese diametral entgegengesetzten Vorlagen gleichzeitig zur Abstimmung kommen?

Lacht. Die eine will etwas geben, die andere etwas nehmen. Es führt somit der Bevölkerung vor Augen, dass keine Leistung gratis zu haben ist.

 

Prof. Dr. Yvonne Seiler Zimmermann
Dozentin für Wirtschaft
HSLU Hochschule Luzern in Risch/Zug

Prof. Dr. Yvonne Seiler Zimmermann ist Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug, IFZ, der Hochschule Luzern. Zu ihren Lehr- und Forschungsschwerpunkten gehören die Finanzmarkttheorie und die kapitalgedeckte Vorsorge.

Die nationale Abstimmung zur Renteninitiative vom 3. März 2024 korrigiert nachhaltig strukturelle Fehler und bleibt dabei massvoll. Der Vorstand der Zuger Wirtschaftskammer spricht sich für ein JA zur Renteninitiative aus.

Beitrag von Patrick Mollet, Präsident FDP Stadt Zug

Die AHV wurde 1948 mit einem Rentenalter von 65 Jahren eingeführt. Heute leben wir erfreulicherweise länger, doch die Demografie verlagert das Gleichgewicht zwischen Jung und Alt. Männer beziehen im Durchschnitt knapp 20 Jahre, Frauen sogar 23 Jahre Rente. Ohne Anpassung droht der AHV der Bankrott. Die Renteninitiative knüpft das Rentenalter an die Lebenserwartung, um das Altersvorsorgesystem nachhaltig zu schützen. Bis 2033 soll es stufenweise auf 66 Jahre erhöht werden. Anschliessend wird das Rentenalter ab 2033 um ungefähr einen Monat pro Jahr ansteigen und 2050 etwa 67 Jahre und 7 Monate betragen. Steigt diese Lebenserwartung an, erhöht sich auch das Rentenalter um den Faktor 0,8.

Die Initiative adressiert strukturelle Fehler, korrigiert nachhaltig und bleibt dabei massvoll. Sagen auch Sie am 3. März 2024 JA zur Renteninitiative.

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