“Finanziell ausgesorgt haben in diesem Alter nur die wenigsten”

von | 7. Juli 2022 | Standort Zug

EVZ-Sportchef Reto Kläy

EVZ-Sportchef Reto Kläy

EVZ-Sportchef Reto Kläy weiss, wie wichtig es ist, die Zeit nach der Profisportler-Karriere zu planen und er verrät, warum Chefcoach Dan Tangnes zum Erfolgstrainer wurde.

Herr Kläy, der EVZ hat nun zwei Mal hintereinander den Meistertitel geholt. Keine Angst, dass sich nun Selbstzufriedenheit ausbreitet?
Interessanterweise hatte ich diese Befürchtung eher letztes Jahr. Da gab es auch grössere Veränderungen in der Mannschaft. Jetzt bleibt das Team zum grössten Teil zusammen und ich weiss, dass der Hunger auf mehr grösser denn je ist.  Wir wissendass wir den Erfolg wiederholen können. Warum nicht das Triple ?

Der Sieg des EVZ über den ZSC hat viel zu reden gegeben. Es gab nur eine einzige Mannschaft, die solch einen Rückstand in einer Finalserie drehen konnte. Was war der Schlüssel zu dieser Wende?
Wir wussten, dass wir eigentlich sehr gut gespielt hatten und dem Gegner ebenbürtig waren, auch wenn wir drei Mal verloren hatten. Ausserdem ist es uns gelungen, in diesem schwierigen Moment des Rückstands die Türe zuzumachen und Stimmen von aussen, die das Glas bereits halb leer sahen zu ignorieren. Diese Fokussierung auf unsere Einflussmöglichkeiten sowie eine gewisse Unaufgeregtheit waren entscheidend.

Wenn Sie  jetzt Sportchef beim ZSC wären, wären Sie kaum unaufgeregt, sondern sauer. Eigentlich hätten es die Zürcher bei dieser Ausgangslage doch machen müssen.Plakativ gesagt: ja. Das zeigt ja auch die Geschichte. Bei so einem Vorsprung und vielen Matchpucks wird der Sieg in der Regel heimgetragen. Aber so ist es im Sport: es ist nicht immer alles erklärbar.

Ist die Maxime «Der Klub mit den meisten finanziellen Mitteln wird auch Meister» falsch?
Damit man Meister werden kann, braucht es eine finanzielle Grundsubstanz aber auch eine klare Philosophie. Der EVZ hat mit seinen Titeln aber bewiesen, dass man auch mit einer ausgeklügelten Mischung aus arrivierten Top-Spielern, die ihren Preis haben, und jungen, günstigeren Spielern an die Spitze kommen kann. Was die Ausgaben für unser Kader anbelangt, so sind wir im Liga-Vergleich nicht in den Top4, wie eine Aufstellung einst zeigte. Dafür investieren wir relativ viel Geld in unsere Nachwuchsprogramme sowie die Zusammenarbeit mit OYM. Hans-Peter Strebel, unser Hauptaktionär, ist kein Mäzen.

Wie definieren Sie Mäzen?
Er stopft finanzielle Löcher und öffnet das Portemonnaie, wann man spontan einen teuren Spieler einkaufen will. So funktioniert das bei uns aber nicht.

Und wie hart sind Sie selber, wenn der Trainer zu Ihnen als Sportchef kommt mit einem Spieler auf der Wunschliste, der das Budget sprengt: gibts da auch mal Krach?
Ja klar gibt es harte Diskussionen. In solchen Situationen ist es wichtig, zwischen «nice to have» und «need» zu unterscheiden. Kauft man zu teuer ein, muss man anderswo sparen.

In den Medien wurde prognostiziert, dass es künftig häufiger zur Finalpaarung Zug-ZSC kommen werde, weil diese Mannschaften in einer anderen Sphäre schwebten. Droht Langeweile in der National League?
Ich schätze das Gefälle nicht ganz so hoch ein und bin sicher, dass nächste Saison mit einigen Mannschaften zu rechnen ist – Bern etwa, Lausanne oder Fribourg oder etwa Biel. Aber es ist sicher wünschenswert, dass noch mehr Bewegung in die Spitze kommt. In den 23 Jahren seit unserem Meistertitel 1998 gab es lediglich vier verschiedene Sieger.

Chef-Coach Dan Tangnes wird als Architekt des EVZ-Erfolgs frenetisch gefeiert. Wie findet man einen guten Trainer?
Dan ist das beste Beispiel dafür, dass man bei der Trainersuche nicht einfach auf die Erfolge und Titel der Vergangenheit schauen sollte. Dies wird leider häufig gemacht – übrigens auch bei Spielern. Tangnes kam nicht als Erfolgstrainer zu uns.

Was hat Sie denn an ihm überzeugt?
Seine hohe Sozialkompetenz. Er kann führen, und das gewichte ich höher als die Fachkompetenz. Denn diese wird ja noch auf drei andere Trainer verteilt. Übrigens hatte ich Tangnes schon länger vor der Verpflichtung auf dem Radar. Aber so läuft das in diesem Geschäft. Man weiss, dieser Typ würde passen, aber das Timing stimmt gerade nicht.

Der EVZ hat aufgrund einer Neuausrichtung der Swiss League seine «Academy»-Ausbildungsstruktur für den Nachwuchs neu aufgestellt auf diese Saison. Was haben Sie gemacht?
Wir haben uns stark mit den Konzepten der besten Hockey-Nationen auseinandergesetzt und uns gefragt, warum es in Schweden, Russland oder Finnland sehr viel mehr Spieler gibt, die im Alter von 17, 18 Jahren auf einem deutlich höheren Niveau sind als unsere. Jetzt haben wir entsprechend in unser Nachwuchskonzept investiert. Beispielsweise haben wir nun mehr Trainerressourcen an der Basis.

Ein Profisportler hat eine beschränkte Zeit an der Spitze. Wird die Karriere danach von den Spielern sorgfältig genug geplant oder eher verdrängt?
Ich beobachte zumindest in unserem Team eine höhere Sensibilität als auch schon, und wir sehen uns da auch in der Pflicht, unsere Spieler auf ihrem Weg zu einem Leben nach dem Hockey zu unterstützen. Die Ausgangslage ist klar: Mit etwa 37 Jahren ist in der Regel Schluss, und finanziell ausgesorgt haben in diesem Alter nur die wenigsten. Manchmal endet die Karriere auch zur Unzeit sehr abrupt. Viele haben dann Mühe mit dem Übergang in ein anderes Berufsleben ohne Rampenlicht. Das Leben als Eishockey-Profi gibt auch Halt und Struktur.

 

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